Overpipe, Überrohr, Mantelrohr, Hosenrohr?

Overpipe, Überrohr, Mantelrohr, Hosenrohr?

Folgende kleine Twitter-Diskussion zeigt wunderbar, auf welchen Wegen Übersetzer zum richtigen Terminus kommen können:

Stufe 1 “Das Fachwörterbuch”: Wenn ein(e) ÜbersetzerIn auf dem Schlauch steht oder einem Begriff zum ersten Mal begegnet, wird er in der Regel zunächst sein Fachwörterbuch befragen. Diese sind inzwischen alle auch elektronisch verfügbar, auf CD/DVD oder als Online-Abonnement. Manchmal hat man aber nicht das richtige Spezialwörterbuch parat oder das letzte Update (für Papierliebhaber: Auflage) hat noch nicht auf die jüngsten Veränderungen in der Branche reagiert. Vielleicht arbeitet man aber auch einfach mal etwas neben seiner eigentlichen Spezialisierung, weil der Kunde für einen einzigen etwas anders gelagerten Auftrag nicht den vertrauten Übersetzer wechseln will.

Stufe 2 “Das Internet”: Dies umfasst diverse frei zugängliche Online-Wörterbücher (z. B. LEO), Terminologiedatenbanken (wie DIN-Term) und Paralleltext-Suchmaschinen (wie Linguee), die jedoch allesamt eines gemeinsam haben: Sie sind unzuverlässig. Ja, selbst DIN-Term oder die Electropedia des IEC, denn in der Praxis hält man sich erstaunlich oft nicht an die Normbegriffe. Es kann also sein, dass der Kunde einen gängigeren Begriff benötigt. Der Übersetzer muss also ein paar Extraschritte gehen: Er begutachtet zum Beispiel mehrsprachige Webseiten von Fachhändlern oder sieht sich Fan-Foren aus beiden Ländern an, er nutzt eine Bildersuche, um zu passenden Webseiten zu gelangen, oder …, oder …, um sich sicher zu sein, wie die Begriffe verwendet werden und ob sie wirklich dasselbe bezeichnen.

Stufe 3 “Kollegen”: Wenn auch die Websuche noch kein abschließendes Ergebnis bringt oder sie zu viel Zeit brauchen würde, kann man auch einfach mal nachfragen. In der Regel fragen wir andere Fachübersetzer auf mehr oder weniger öffentlichen Plattformen, seien es geschlossene Verbandsplattformen wie das meinBDÜ-Forum, die offene XING Übersetzer-Lounge oder eben auch unsere Kollegenkontakte bei Facebook, Twitter oder Google+.

Stufe 4 “Fachleute”: Zuweilen können sich auch Fachübersetzer nicht einigen, sie haben mehrere Vorschläge und jeder kann für seinen Vorschlag argumentieren und Verwendungsbeispiele zitieren. Dann hilft alles nichts: Ein Fachmann (oder eine Fachfrau) muss her! In der Regel sind die Ingenieure, Techniker, Kaufleute, Bänker, Rechtsanwälte, Marketingspezialisten, …, diejenigen, die auf jeden Fall wissen sollten, womit sie tagtäglich umgehen und wie man es offiziell, im Alltag und auch falsch bezeichnet. Dazu benötigt man idealerweise einen Spezialisten im Zielland, mindestens aber einen, der mit der Zielsprache arbeitet.

Stufe 5 “Der Kunde”: Die gefürchtete letzte Eskalationsstufe im Ringen um den korrekten Terminus. Manchmal hat der Kunde eigene Begrifflichkeiten geprägt oder er verwendet Abkürzungen, die nicht außerhalb seines Unternehmens geläufig sind. Solche Spezialbegriffe teilt er im Idealfall schon bei Auftragserteilung von alleine mit, aber manchmal denkt man einfach nicht daran, dass das Ding eigentlich anders heißt, man aber aus Gründen der Abgrenzung von der Konkurrenz… na, Sie wissen schon. Den Kunden zu fragen, müsste eigentlich zwischen Stufe 2 und 3 geschehen, aber zum einen signalisiert kein Übersetzer gerne Unkenntnis (auch wenn er den Spezialbegriff des Kunden gar nicht kennen kann), daher ist es psychologisch einfacher, einen Kollegen zu fragen – aber vielleicht interessiert die Antwort ja auch noch andere und man erhält die wertvolle Information, dass ein Bezeichnetes durchaus verschieden bezeichnet werden kann, z.B. wegen länderspezifischer Varianten (UK und USA, FR und CAN, …). So etwas würde ein Kunde einem in der Regel nicht mitteilen können. In anderen Situationen – Stichwort Vertraulichkeit – sind die Stufen 2 bis 4 nicht oder nur eingeschränkt möglich.

Wenn zuguterletzt alles klar ist, landen alle Begriffe – die verpflichtenden, die kundenspezifischen, die synonymen/alternativen und die verbotenen – samt entsprechender Markierung in der Terminologiedatenbank des Übersetzers, damit er dieselbe Frage nie zweimal stellen muss und sich, wenn er wieder über den Quellbegriff stolpert, sofort über das komplette zielsprachliche Begriffsfeld im Klaren ist.

Liebe Kollegen, ihr recherchiert noch anderswo? Ich freue mich auf Eure Tipps in den Kommentaren!
Liebe Kunden und Interessenten, ihr habt Fragen dazu? Diskutiert einfach mit!

Christopher Köbel (Portrait)
Christopher Köbel

Inhaber von DeFrEnT Christopher Köbel. Fachübersetzer für Deutsch, Französisch und Englisch für die Branchen IT, Web, Maschinen- und Anlagenbau, Kunststoffe, Industrie 4.0. Allgemein ermächtigter Übersetzer für Französisch und Englisch. Mitglied im Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ).

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